Nachruf von Andreas Splett

Am Freitag, den 31. Juli 2009 verstarb mein Vater, der hallesche Maler und Grafiker Meinolf Splett im gesegneten Alter von 98 Jahren. Als Meisterschüler von Erwin Hahs war er einer von wenigen christlichen Künstlern in der damaligen Ostzone Deutschlands. Sein Leben war geprägt durch die Kunst, seinen Freiheits- und Gerechtigkeitssinn und tiefen Humanismus, der sich in seinen Werken ausdrückt. Sein künstlerisches Schaffen war auch eine Aufarbeitung seiner eigenen Geschichte – erlebt in zwei deutschen Diktaturen. In der Nazizeit wurde Meinolf Splett inhaftiert und stand vor der Todesstrafe, da er bereits frühzeitig den Nationalsozialismus als Wegbereiter des Kommunismus bezeichnet hatte und prophezeite, dass Hitler nichts anderes als Selbstmord übrig bleiben würde. Der größte Teil seiner in München entstandenen Werke wurde damals als sogenannte „entartete Kunst“ verbrannt. Das Schicksal des jüdischen Volkes hat einen Teil seiner Arbeit bestimmt. Die Vertreibung aus dem Heiligen Land und der Holocaust waren Themen seiner Werke. Die politischen Verhältnisse der Ostdiktatur unterdrückten die künstlerische Arbeit von Meinolf Splett permanent. Die Formalismusdiskussion und die kommunistischen Wegbereiter des „sozialistischen Realismus“ waren die Schuldigen der Unfreiheit im Schaffen des Künstlers. Spekulatives Denken innerhalb der Kunst empfand Meinolf Splett als untragbar. Die anfangs hoffnungsvolle Arbeit in der Künstlervereinigung „Die Fähre“, die er mitbegründete,  sah Meinolf Splett durch linientreue kommunistische Parteiarbeiter wie den hohen Parteifunktionär und SED-Maler Willi Sitte zerstört. Auch eine Professur an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle wurde dem christlichen Künstler Meinolf Splett in der DDR-Diktatur verwehrt. Trotzdem kümmerte er sich intensiv um junger Künstler, die er als Dozent an der Hochschule für industrielle Formgestaltung – heute Kunsthochschule Halle – Burg Giebichenstein ausbildete.

Erschaffung der Welt

Zehn Jahre arbeitete mein Vater an einem Holzschnittzyklus zum Alten Testament. Die entstandenen 24 großformatigen Farbholzschnitte gelten als bedeutsames Beispiel zeitgenössischer christlicher Kunst und beeindrucken bis heute durch ihre moderne Ausführung. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands erfolgte eine späte Ehrung durch die Verleihung des Kunstpreises des Landes Sachsen-Anhalt im Jahre 1995. Seine letzte große Arbeit war die Restaurierung der farbigen Glasmosaike an der Fassade des halleschen Döllhauses am Uniring. Als einer von Wenigen berherrschte er die künstlerisch anspruchsvolle und handwerklich komplizierte Mosaiktechnik. Dafür kletterte er noch mit 82 Jahren auf hohe Gerüste, um diese schwierige Arbeit zu vollenden. Bis vor zwei Jahren setzte er sich mit wichtigen künstlerischen Fragen auseinander und zeichnete in der Natur, die er als Gottes Schöpfung achtete und liebte. Gezeichnet durch eine schwere Krankheit lebte mein Vater Meinolf Splett zuletzt in einem halleschen Pflegeheim.
Mein Vater ist für mich einer der gläubigsten Menschen auf dieser Welt gewesen. Sein Humanismus ist die Grundlage meines Lebens. Er ist nicht nur mein Vater, sondern war mein wichtigster Lehrer. In allen meinen Arbeiten steckt auch immer ein großer Teil der künstlerischen und menschlichen Seele meines Vaters.
Regina Radlbeck-Ossman, eine Freundin der Familie und katholische Professorin an der halleschen Universität schrieb mir: „So vieles bleibt von ihm! Seine Bilder, Worte, Erlebnisse, filmische Zeugnisse und vor allem die Spuren der Liebe, die er getan und erfahren hat. Sie verweisen auf seine jetzige Situation. All das ist aufgehoben, bewahrt und höhergehoben“.
Susanne Berner, eine enge Freundin und Schülerin meines Vaters, sagte: „Beim Malen an der Unstrut hat er sich oft vorgestellt, wie dort die Seelen der Vorfahren mit den Wolken über ihm hinziehen. Jetzt zieht er wohl mit ihnen.“
Als wir uns Anfang der 90ger Jahre darüber unterhielten, ob es nicht zu gefährlich sei, im hohen Alter auf einem Gerüst zu arbeiten, antwortete mein Vater: „Als ich einmal übers Feld ging, hörte ich oben am Himmel eine Lerche singen. Plötzlich hörte sie auf, fiel vom Himmel herab und war tot. Ist doch ein schöner Tod. Warum soll ich also nicht auf ein Gerüst steigen.“